Willkommenskultur trifft Realität – die schwächsten werden ausgequetscht

Suche nach Willkommenskultur in Oldenburg – nur ein einsamer Treffer

Wer auf oldenburg.de nach „Willkommenskultur“ sucht, wird ggf. enttäuscht – die Trefferliste enthält nur einen einsamen Treffer oldenburg.de/suche.html?q=Willkommenskultur, Screenshot vom 04.03.2014. Es wäre ein Trugschluss und fahrlässig anzunehmen, dass mit dem Einfügen der gewünschten Zeichenfolge „Willkommenskultur“ in passenden Webseiten diese suchtechnische Panne mit einigen wenigen Handgriffen schnell erledigt ist. Mit Überschriften markierte Themen im vorliegenden Artikel sind ein Versuch weitere weiße Flecken in der oldenburgischen Willkommenskultur-Landschaft zu identifizieren und Überlegungen dazu, welche Ursachen für weiße Flecken verantwortlich und welche Lösungsansätze evtl. geeignet sind, damit Willkommenskultur nicht nur in die Trefferlisten der Suchmaschinen und Sonntagsreden der Stadtpolitik Einzug hält, sondern in Oldenburg täglich möglichst flächendeckend gelebt wird.

Wunschdenken, Sanktionen statt tragfähige Konzepte und Hilfe

Für das Bild wurde die Tauchmaske, Druckausgleichsmaske von Alex Anlicker verwendet. Das Original-Bild und die Schwarz-Rosa-Brille sind unter GNU Free Documentation License veröffentlicht.

Wohnungsmarkt-Situation wird von den Behörden in unterschiedlichen Kontexten – Wohnraumförderung für Flüchtlinge oder eine Aufforderung zur Mietkostensenkung für Bezieher von Transferleistungen – widersprüchlich dargestellt:

  • bspw. in der gemeinsamen Sitzung des Sozialausschusses und des Ausschusses für Stadtplanung und Bauen am 25.02.2014 begründet die Stadtverwaltung Oldenburg die Notwendigkeit einer Unterbringung von Flüchtlingen in zentralen Unterkünften mit der These, dass der Wohnungsmarkt in Oldenburg quasi leergefegt ist. Wörtlich heißt es im Einladungsschreiben an die Anlieger, „die Verwaltung für Montag, 3. März, 18.30 Uhr, zu einer Anwohnerversammlung“ einlädt „Der angespannte Wohnungsmarkt in Oldenburg macht es leider nicht möglich, die Flüchtlinge alle dezentral unterzubringen und die beiden bestehenden Gemeinschaftsunterkünfte sind inzwischen voll belegt“ Stadt stellt Anwohnern Asylheim vor, NWZOnline, 27.02.2014.
  • am darauf folgenden Donnerstag zitiert die Presse den Jobcenter-Geschäftsführer Volker Trautmann, der meint, „dass es aktuell in Oldenburg sehr schwierig sei, eine preiswerte Wohnung zu finden. „Es ist aber nicht unmöglich. Wir wissen das deshalb so genau, weil wir täglich mit dem Thema konfrontiert werden.““ Bedürftige dürfen auch teurer wohnen, NWZOnline, 27.02.2014

Mal angenommen, die These vom angespannten Wohnungsmarkt in Oldenburg und Unmöglichkeit, Flüchtlinge dezentral zu unterbringen stimmt, dann fragt man sich, wie die Aussage von Herr Trautmann zu interpretieren ist? Es ist doch ein gemeinsamer Wohnungsmarkt, auf dem die Stadtverwaltung für Flüchtlinge und die Bezieher von Transferleistungen auf der Wohnungssuche sind!? Man kann auch symbolisch die Jobcenter-Rosa-Brille von Herr Trautmann aufsetzen und umgekehrte Gegenüberstellung machen. Das Brillenspiel kann lustig und unterhaltsam sein – aber nur für aussenstehende, die den Vorteil haben, den Brillen-Spass jede Minute beenden zu können.

Für die Bezieher von Transferleistungen, die von der Behörde eine Aufforderung bekommen, zwecks Mietkostensenkung eine „angemessene“ Wohnung zu suchen, ist es bitterer Ernst. Weil wenn er oder sie auf dem leergefegten Wohnungsmarkt keine Wohnung findet, kann es sein, dass SachbearbeiterIn im Jobcenter seine/ihre Bemühungen bei der Wohnungssuche als unzureichend einschätzt. Mit der Konsequenz, dass er oder sie die Differenz zwischen „angemessener“und tatsächlicher Miete vom Mund oder sonst wo absparen muss. Da sind Gedanken der Betroffenen von einem menschen(un)würdigen Leben bestimmt keine Seltenheit.

Logische Konsequenz – die Tretmühle Wohnungssuche

Wohnungssuchende mit geringem Einkommen sind einem doppelten, mehrfachen Druck ausgesetzt.  Seitens der Immobilienwirtschaft – da der Wohnungsmarkt im Niedrigpreissegment leergefegt ist, muten die Vermieter den Mietern zusätzlich zu einem Preis/Leistung-Verhältnis zum Nachteil des Mieters alle denkbare Schickanen zu – ein Vermieter hat bspw. beim Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg e.V. sich erkundigt, ob er vom Mieter ein Führungszeugnis verlangen kann. Seitens des Jobcenters – Aufforderung die Mietkosten zu senken.

Die tägliche Praxis, die verwaltungstechnische Routine im Zusammenspiel mit knallhartem profitgesteuerten Geschäftsgebaren der Immobilienwirtschaft führen leider zunehmend dazu, dass:

  • die Wohnungsleerstand-Werte zum Vorteil der Immobilienwirtschaft traumhafte Werte erreichen (aus Sicht der Immobilienwirtschaft – für die Wohnungssuchende ist es ein Horror pur)
  • dafür aber auch das letzte Quäntchen der Menschenwürde den Wohnungssuchenden Jobcenter-Kunden in penibelst verplanten Abläufen konsequent und menschenunwürdig Schritt für Schritt weggenommen wird. „Fördern und Fordern!“ – heißt die Devise. Wenn ich die 36% Erfolgsquote der Wohnungsvermittlungsstelle der Stadtverwaltung betrachte, dann empfinde ich die vom Jobcenter ausgesprochene Mietkosten-Senkung-Forderung nur als eine Gängelung der Wohnungssuchenden Bezieher von Transferleistungen. Diese Entwürdigung muss ab sofort gestoppt werden!

Rote Linie, an der die Menschenwürde berührt und verletzt wird

Für die Etablierung einer gelebten Willkommenskultur sind regelmäßige Treffen am Runden Tisch und nicht am Schalter der Behörde zwischen Mitarbeitern der Behörde und OldenburgerInnen hilfreich, wo abseits der Einzelfälle aktuelle Probleme, Brennpunkte gezielt angesprochen und gemeinsame Lösungsansätze erarbeitet werden können. Damit im Arbeitsalltag auch in einer kritischen Situation der Gedanke über die Rote Linie


präsent ist und die Grenzen, die mit dieser Linie markiert sind, von beiden Seiten beachtet und respektiert werden. Schließlich ist die Unterbringung von Flüchtlingen nur der erste Schritt für die Flüchtlinge in Oldenburg. Die Flüchtlinge haben nur dann eine Chance, hier heimisch zu werden, wenn auch abseits der Wohnungssuche, abseits der Suchmaschinen-Treffer und Sonntagsreden der Kommunalpolitik die Willkommenskultur bewusst und nachhaltig gelebt wird.

Unterbringung von Flüchtlingen und Willkommenskultur

  • zentrale Unterbringung von Flüchtlingen kurz- und mittelfristig
  • dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen längerfristig

Überlegung: Ein Bestand der Willkommenskultur, die breite Akzeptanz der Flüchtlingspolitik in Oldenburg stehen kurz-, mittel- und längerfristig auf der Kippe, wenn die Kommunalpolitik und die Stadtverwaltung es versäumen ganzheitliche tragfähige Wohnraumförderung-Konzepte zu entwickeln. Gefragt sind Konzepte, bei den die Interessen der Immobilienwirtschaft, eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in Oldenburg und Interessen der wohnungssuchenden Oldenburgerlnnen mit geringem Einkommen berücksichtigt und aufeinander abgestimmt sind.

Fortsetzung folgt: Wirksame Orientierungshilfen …

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